Kann man Kinder konditionieren? (Darf man das überhaupt?)

Und ob! Wir werden alle Nase lang durch die Bank weg alle konditioniert! Ob nun das simple Stehenbleiben an roten Ampel oder dieses wohlig warme Gefühl, was sich beim Zurücksinken in die Couch einstellt – alles reine, klassische Konditionierung. So wie damals bei Pawlows Hund. Klingelt das Glöckchen, das Essen ankündigt, läuft auch schon fleißig die Sabber.

Und dann gäbe es die noch viel spannendere operante Konditionierung. Wenn du schön brav bist, gibt es nachher ein Eis, wenn du über eine rote Ampel drüberfährst, gibt es nachher einen saftigen Strafzettel, wenn du immer brav arbeiten gehst, kriegst du irgendwann mal (vielleicht) eine hübsche Rente.

Konditionierung lauert sozusagen überall. Und – sie geschieht quasi nebenbei und meist ohne dass wir sie so benennen. Also warum nicht genauer hinschauen und sie optimal und ganz bewusst für unsere ganz persönlichen (Erziehungs-) Zwecke nutzen?

Bei der operanten Konditionierung liegt der Fokus auf der Art der Konsequenz, die auf ein Verhalten folgt. Ist die Konsequenz positiv, sprechen wir von Belohnung bzw. Verstärkung (Nachtisch). Ist die Konsequenz negativ, sprechen wir von Bestrafung (kein Nachtisch). Bei Bestrafung unterscheidet man noch direkte Bestrafung, also Zufügen von negativen Konsequenzen (schimpfen oder gar schlagen) und indirekte Bestrafung, also Wegnehmen einer positiven Konsequenz (kein Nachtisch).

Direkte Bestrafung wirkt schneller, aber weniger nachhaltig und gefährdet überdies die positive Beziehung zwischen den Beteiligten. Indirekte Bestrafung wirkt zwar etwas langsamer, ist aber in jedem Falle vorzuziehen. Meist genügt auch das Androhen von Strafen („Wenn du nicht isst, gibt es keinen Nachtisch!“). Aber, so wirksam Bestrafung insgesamt auch sein mag, das Mittel der Wahl sollte sie nicht sein. Wer sich um eine liebevolle, vertrauensvolle und achtsame Beziehung zu seinem Kind bemüht, sollte auf andere Strategien zurückgegreifen – Belohnung und Spaß zum Beispiel.

Belohnen oder, im Fachjargon, Verstärken kann man auf verschiedene Arten – seine Aufmerksamkeit schenken, Knuddeln, Spielen, Blödeln, Lachen, Loben, Stempel, Eis, kleine Geschenke und was es noch nicht alles gibt. Allen gemeinsam ist, dass wir dadurch erwünschtes, gutes Verhalten mit positiven Konsequenzen koppeln und es damit verstärken. Das erwünschte Verhalten wird also häufiger auftreten. Ganz besonders, wenn wir es kontingent, also regelmäßig, vorhersehbar und unmittelbar verstärken.

Ein Beispiel: Schenkt man einem Kind, das schon fast trocken ist, für jedes erfolgreiche Nicht-Einpullern Lob, Anerkennung oder ein Eis, wird es sehr motiviert sein nicht mehr einzupullern. Bestraft man es dagegen für jedes Einpullern, wird es zwar ebenfalls motiviert sein, die Bestrafung zu verhindern, die positive Beziehung des Kindes zu seinen Eltern und zu seinem Körper ist jedoch ernstlich gefährdet.

Nun kommt die Sache mit der Kontingenz. Der Zeithorizont bei Kindern ist bekanntermaßen nur kurz. Will man also ein bestimmtes Verhalten verstärken, sollte man die Konsequenz prompt darauf folgen lassen. Es nützt nichts, im Juli damit zu drohen, dass der Weihnachtsmann keine Geschenke bringen wird. Wer keine Hauptspeise isst, bekommt keinen Nachtisch. Wer andere Kinder mit der Schaufel schlägt, dem wird die Schaufel weggenommen. Letzteres ist ein gutes Beispiel der „natürlichen“ Belohnung/Bestrafung – das, was zur Debatte steht, wird zum Gegenstand der Konsequenz. Und Konsequenz heißt in dem Fall tatsächlich konsequent sein, ohne Widerrede. Was man androht oder verspricht, muss man auch wahr machen. Da lohnt es sich auch, nur Dinge anzudrohen oder zu versprechen, die man tatsächlich wahr machen kann…

Wichtig ist auch, dass wir dabei transparent sind – maximal transparent. Ein Kind versteht den Sinn der Konsequenz nicht, wenn wir es ihm vorher nicht erklärt haben. Auf dieses und jenes Verhalten folgt diese und jene Konsequenz – verstehst du das? Wenn du Lorenz weiter mit der Schaufel haust, nehme ich sie dir weg – verstehst du das? Haut das Kind weiter, wird die Schaufel weggenommen. So lernt es die Verknüpfung Hauen – Schaufel weg. Nehmen wir ihm nur die Schaufel weg ohne vorherige Ankündigung, weiß es gar nicht, wieso. Es bekommt auch keine Denkminute, die ihm die Freiheit lässt, selbst zu entscheiden, ob es weiter haut oder nicht.

Die Königsdisziplin ist es, dem Kind darüber hinaus noch eine plausible Begründung zu geben. Am besten als Ich-Botschaft. Ich möchte nicht, dass du andere Kinder haust. Das tut ihnen weh. Du möchtest doch auch nicht, dass dich jemand haut. – Zum Beispiel.

Das alles sind Hilfen, um Kindern bestimmte Werte und Verhaltenweisen beizubringen, die uns wichtig oder für das Leben in dieser Gesellschaft angebracht sind. Du hast jetzt also die grandiose Möglichkeit diese wertvollen Erkenntnisse sofort umzusetzen. Dazu ein kleiner Spickzettel:

  1. Positives Verhalten fördern durch Verstärkung und Belohung – immer und überall. Geize nicht mit deiner anerkennenden Aufmerksamkeit und dem gemeinsamen Spaß!
  2. Negatives Verhalten hat Konsequenzen, am besten natürliche (Schippe wegnehmen) und indirekte (kein Nachtisch statt Schimpfen). Und das sofort und immer (also konsequent).
  3. Erkläre dein Verhalten und deine Werte. Mach deinem Kind die Konsequenzen seines Verhaltens bewusst. Am besten auf Augenhöhe und in altersgerechten Häppchen.

Dann kann nichts mehr schiefgehen! Oder etwa doch? Wenn konsequent sein so einfach wäre… Wie wir durch Nachgeben manchmal unbewusst Dinge verstärken, die wir gar nicht wollen, und wie wir lernen mit Konsequenz zu reagieren findest du hier. Und wenn sich doch schon etwas eingeschlichen hat und du diese unerwünschten Verhaltensweisen wieder loswerden willst, kannst Du demnächst nachlesen im Artikel „Löschung und Habituation – Warum Ignorieren manchmal die beste Lösung ist“.

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