Bei uns zu Hause gibt es eine große Menge an Sturköpfen… Die ältere Tochter ist ein echter Profi und treibt uns schon seit geschätzten 3-4 Jahren mit ihren ausdauernden Trotzanfällen in den Wahnsinn. Die jüngere Tochter ist mit knapp über einem Jahr gerade noch am Ausbrüten ihrer Bockigkeit – erste Anzeichen lassen sich allerdings (leider) nicht übersehen. In den letzten Jahren haben wir uns also notgedrungen ein ganzes Arsenal an Strategien zugelegt, um dem ewigen Trotz und Bock begegnen zu können. Diese Strategien sind vielleicht nicht immer pädagogisch hieb- und stichfest, aber auf jeden Fall gewaltfrei und, das ist die Hauptsache, ziemlich effektiv
Ein wenig Theorie vorneweg: Kleine Kinder sind während eines Trotzanfalls komplett in ihrer Emotion gefangen und gehen vollständig darin auf (empirisch bestätigt). Sie da wieder herauszuholen bedarf einiges an Geduld, Übung, Kreativität und – wie ich bei meiner neuesten Lektüre1 erfahren habe – Spaß! Diesen kann man fördern nach dem Prinzip der „unexpected interaction“ – anstelle von schimpfen, streng gucken, genervt sein, betteln oder Strafe androhen (oder was man sonst so macht) treten völlig neue, unerwartete Reaktionen, die das Kind so nicht erwartet hat und die es ins Staunen bringen. Und über dieses Staunen vergisst es meist seinen Trotz und steigt bestenfalls noch mit darauf ein.
Hier nun also die Liste der besten Sofort-Hilfe-Maßnahmen bei akutem Trotz.
Teil I für kleinere Kinder bis 3 Jahre (aber auch danach sehr gut einsetzbar)
- Ablenken – Fast die beste Strategie. Irgendetwas aufschnappen, was wahnsinnig spannend klingt, und die Aufmerksamkeit des Kindes darauf lenken. Bei kleinen Kindern funktioniert noch ein ganz simples „Da guck mal! Die Tauben!/ Ein fliegender rosa Elefant!“ ganz wunderbar. Bei größeren Kindern muss man da schon etwas kreativer– und auch realistischer – werden, z.B. „Wow! Guck mal was ich gesehen habe! Da draußen ist eine Riesen-Monsterwolke!“ oder sowas in der Art. Obwohl, Einhörner funktionieren auch bei 6-Jährigen noch erstaunlich gut 😀
- Zum Lachen bringen – Alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, um das Kind zum Lachen zu bringen und so aus seinem Trotz herauszuholen. Kitzeln, Grimassen schneiden, eine Kopfstand machen, mit den Lippen pupsen – was auch immer dir in diesem Moment einfällt. Wichtig! Für den Erfolg dieser Maßnahme musst du absolut jedes winzige Lächeln im Gesicht deines Kindes registrieren und sofort aufgreifen und verstärken! Also sofort rückmelden an das Kind: „Hast du etwa gelächelt? Ich hab’s genau gesehen!“ – Und als Bonus „Du darfst bloß nicht lächeln!“
- Kindliche Reaktion kopieren – Sehr simpel und seeehr effektiv. Einfach genau das machen, was das Kind gerade tut – schimpfen, wüten oder auf den Boden schmeißen – alles ist erlaubt. Aber mit Nachdruck und der nötigen theatralischen Überdosis. Versprochen – das Kind ist entweder hochgradig verunsichert (vor allem, wenn man dies an der Supermarktkasse macht) oder muss anfangen zu lachen. Als Bonus für Fortgeschrittene bietet sich das Tool „Gefühle übersetzen/verbalisieren“ an. Statt einfach nur die Reaktion des Kindes zu kopieren, übersetzt man währenddessen lautstark die Gefühle, die das Kind vermutlich in diesem Moment hat. Also z.B. „Jetzt bist du aber richtig wütend, was? Das verstehe ich! Wäre ich auch! Deine Mama hat dir nicht erlaubt einen Lolli zu essen! So eine Gemeinheit!“. Wichtig ist, dass man das nicht erwachsen-ernsthaft vorbringt, sondern kindlich-wütend. So lernt das Kind gleichzeitig eine Menge über seine eigenen Gefühle.
- Umarmen, knuddeln, festhalten – Aus der Festhaltetherapie wissen wir, dass das Festhalten oder Umarmen in emotional aufwühlenden Situationen sehr hilfreich sein kann. Kinder lernen dadurch, dass jemand für sie da ist und sie liebevoll im Arm hält, wenn sie aus der Bahn geraten sind, und können so ihre eigenen Emotionen besser akzeptieren und in ihr Selbstbild integrieren. Wichtig ist dabei, dass du innerlich ganz ruhig bist und dem Kind deine liebevolle Absicht kommunizierst statt rein äußerliche Gewalt anzuwenden.
- Reset-Knopf drücken/ Zurückspulen – Diese Maßnahme eignet sich vor allem für Kinder, die in der Phase „selber machen“ sind. Einfach mal so tun als wäre nix passiert. Einmal zurückspulen und von vorne anfangen. Die Tür wieder zu machen, so tun als hätte man sie nie geöffnet und das Kind bitten sie selber aufzumachen. Den Teller leer machen und dem Kind erlauben sich ihn selber vollzuschaufeln. Solche Dinge. Bei den ganz kleinen Kindern hilft diese Strategie manchmal – und bei den ganz großen (z.B. Partner/in) manchmal auch 😉
- Wenn absolut nix mehr hilft – Auszeit im Nebenzimmer – Besonders zu empfehlen, wenn man mit seinem Latein und seinen Nerven am Ende ist und Schlimmeres verhindern möchte. Da ein Kind im Moment des Trotzanfalls vollständig in seinen Gefühlen gefangen ist, ist man tatsächlich manchmal gut beraten es ins Nebenzimmer zu stellen mit der Ansage: „Ich kann gerade nicht mit deinem Trotz umgehen. Tobt dich bitte hier drüben aus. Wenn du wieder lieb bist, kannst du wieder rüberkommen.“ Ganz wichtig bei dieser Strategie: Ruhig bleiben! Nicht böse oder ausfällig werden, da das Kind sonst das Gefühl bekommt als Person falsch zu sein. Und: In Abständen von 30 Sekunden bis 1 Minute regelmäßig die Tür öffnen und fragen, ob es wieder lieb ist. Wenn nicht, darf es drüben weitertoben. Wenn ja, herzlichen Glückwunsch! Du bekommst ein völlig ausgewechseltes, ausgetobtes und liebes Kind zurück.
Wunderbar! Nun bist du ausgerüstet mit der Hälfte des kreativen Werkzeuges, dass du zur Behandlung akuter Trotzanfälle brauchst. Sei mutig und setze diese Sofort-Hilfe-Maßnahmen sofort um. Probiere aus, was bei deinem Kind am besten funktioniert und genieße das neue, entspannte Familienleben 🙂
Drei Dinge möchte ich dir noch besonders an Herz legen:
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Bring dein Kind zum Lachen, egal wie. Dann kann es gar nicht mehr bockig sein.
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Sobald dein Kind einen winzigen Anflug von Lächeln zeigt – bemerke und verstärke es sofort! Sage deinem Kind wie toll du sein Lächeln findest.
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Sei kreativ. Denk dir ruhig neue, eigene kreative Lösungsansätze aus. Vielleicht magst du sie mit uns teilen?
Die besten Sofort-Hilfe-Maßnahmen bei trotzigen Kindern ab 3 Jahren findest du in Teil II dieser Reihe. Viel Spaß damit!
1 Gerhard Spitzer. 2015. „Kinder im Tyrannenmodus: Kann Erziehung noch Spaß machen?“
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